Meine verehrten Damen und Herren,
wissen Sie manchmal nicht wo Ihnen der Kopf steht? Haben Sie oft das Gefühl, dass die Welt verrückt geworden ist oder sogar Sie selbst? Machen Sie sich keine Gedanken, Sie sind nicht alleine damit. An Verrückten hat es in der Geschichte der Menschheit wahrhaft keinen Mangel gegeben und auch in den berüchtigten 1920er Jahren lebten nicht wenige Exzentriker. Neugierig geworden? Dann lassen Sie uns doch einen genaueren Blick auf fünf besonders schillernde Exemplare werfen.
Paul Léautaud (1872 – 1956)
Der erste Sonderling, den ich Ihnen vorstellen möchte, ist der Pariser Journalist und Schriftsteller Paul Léautaud. Schon von früher Kindheit an sich selbst überlassen, entwickelte er sich zum Autodidakten, der sich am meisten für klassische Literatur begeistern konnte. Er schrieb viele Jahre Theaterkritiken für den Mercure de France und konnte dadurch bekannte Persönlichkeiten wie Paul Valéry, André Gide und Stéphane Mallarmé kennenlernen, doch träumte er eigentlich vom Leben als freier Schriftsteller. In seiner Freizeit war Léautaud außerdem fleißiger Tagebuchschreiber, von 1893 bis 1956 führte er das Literarische Tagebuch, das mehr als 3000 Seiten umfasst.
Besonders hervorgetan hat sich der Literat zeit seines Lebens durch seine starken Abneigungen gegen diverse Dinge: gegen die Politik (Léautaud hat nie gewählt), die Religion (er besuchte gerne Messen um nachher die Gläubigen von der Lächerlichkeit der Kirche zu überzeugen) und gegen die meisten seiner Mitmenschen. Besonders Kinder waren ihm zuwider, ein Zitat von ihm lautet: „Wenn das Kind erscheint, dann nehme ich meinen Hut und gehe weg.“. Doch so wenig Léautaud Menschen mochte, so gerne hatte er Tiere. In seinem Tagebuch notierte er regelmäßig die Anzahl der Tiere, die gerade in seiner kleinen Pariser Wohnung mit ihm lebten, zwischenzeitlich waren es 38 Katzen, 9 Hunde, eine Meerkatze und diverse Schildkröten, was ihm regelmäßig Ärger mit seinem Vermieter einbrachte.
Gegen Ende seines Lebens nahm er immer mehr das Aussehen eines Clochards an. Durch die Versorgung der vielen Tiere in ständiger Geldnot, gönnte sich Léautaud selbst sehr wenig Nahrung (hauptsächlich ernährte er sich von Brot, Käse und Salzkartoffeln). Um Kosten für Strom zu sparen, verwendete er Kerzen und Petroleum-Lampen. Anfang der 50er Jahre erlangte er nochmal ein wenig Berühmtheit durch seine Radio-Interviews mit Robert Mallet, den großen Durchbruch schaffte er jedoch nicht mehr. 1956 starb Léautaud im Alter von 84 Jahren.
W.C. Fields (1880 – 1946)
Geboren als William Claude Dukenfield in Pennsylvania, wuchs Fields in einer einfachen Arbeiterfamilie auf. Nach nur fünf Jahren musste er die Schule verlassen um beim elterlichen Gemüsehandel mitzuhelfen. Doch das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war stets von Spannungen geprägt, sodass Fields bereits mit 13 Jahren alleine sein Geld verdiente. Schon früh entdeckte er sein Talent fürs Jonglieren und konnte bald unter dem Künstlernamen W.C. Fields regelmäßig in Vaudeville-Shows auftreten, wo er in der Rolle des Eccentric Jugglers auftrat und zeitweise als Weltbester Jongleur gehandelt wurde.
Zwischen 1915 und 1921 trat er mit den berühmten Ziegfeld Follies auf. In den weiteren Jahren zog es Fields immer mehr nach Hollywood, wo er in zahlreichen Komödien mitwirkte. Meist in der Rolle des egoistisch-misanthropischen Familienvaters, der dem Alkohol nicht abgeneigt ist, spielte er in über 40 Filmen mit.
In Erinnerung geblieben ist Fields allerdings nicht nur aufgrund seines Jonglier- und Schauspieltalents. Wie Paul Léautaud war Fields Atheist und wollte, dass nach seinem Ableben ein Waisenhaus gegründet wird, „where no religion of any sort is to be preached“, was jedoch nie in die Tat umgesetzt wurde. Zudem war er für seine Angst vor Diebstählen und sein Misstrauen Bankiers gegenüber bekannt. Dies führte dazu, dass Fields überall in den USA unzählige Bankkonten eröffnete, auf die er immer nur kleinere Summen einzahlte. Er hatte auch niemals größere Beträge in bar bei sich. Nach seinem Tod fand man einen ganzen Koffer voller Scheckhefte von etlichen Banken, die meisten davon unbenutzt.
Howard Hughes (1905 – 1976)
Der amerikanische Unternehmer, Pilot und Filmproduzent ging auf unterschiedlichste Weisen in die Geschichte ein. Schon im Alter von 18 Jahren wurde er zum Alleinerben der Hughes Tool Company, einer Werkzeugfirma, die allein durch die Produktion von Geräten für die Erdölgewinnung jährlich Millionen erwirtschaftete. Doch überließ Hughes die Leitung der Firma anderen und zog nach Hollywood, um sein Glück als Produzent und Regisseur zu versuchen. Schnell wurde er wegen seiner Pedanterie gefürchtet, Regisseuren schickte er seitenlange Memos mit Anmerkungen zu den nebensächlichsten Details, sodass die Fertigstellung eines Films unter ihm zu einer Nervenzerreißprobe werden konnte.
Neben dem Filmgeschäft hegte Hughes bekannterweise eine große Leidenschaft für die Fliegerei. 1936 gründete er die Hughes Aircraft Corporation, die Flugzeuge entwickelte, die Hughes als Pilot dann selber testete. In den weiteren Jahren stellte er mehrere Geschwindigkeitsrekorde auf, 1938 gelang ihm erstmalig eine Weltumrundung ohne Zwischenstopp in 91 Stunden. In den 40er Jahren stürzte Hughes mit seinem Flugzeug ab, er überlebte mit schweren Verletzungen an Kopf und Rücken, von denen er sich nie ganz erholen konnte. Den Rest seines Lebens blieb er abhängig von Schmerzmitteln.
In den letzten zwei Jahrzehnten verstärkte sich Hughes Neurose, sodass er sich zusehends selbst isolierte. Er zog sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück und verweigerte es fotografiert zu werden. Er mietete die oberste Etage eines Luxushotels in Las Vegas um sich dort ein antiseptisches Refugium zu schaffen, denn Mikroben und Bakterien versetzten ihn in große Angst. Die Raumtemperatur musste tags wie nachts auf das Hundertstel genau 21 Grad betragen. Die wenigen Vertrauten, die er am Ende seines Lebens noch empfing, mussten chirurgische Masken und Handschuhe tragen, wenn sie ihn besuchten.
Salvador Dalí (1904 -1989)
Wer im Wörterbuch den Begriff „Exzentrik“ nachschlägt, müsste eigentlich ein Foto von Salvador Dalí dort vorfinden. Der katalanische Maler war schon von Kindheit an etwas anders als seine Mitmenschen. In seiner Autobiographie „Das geheime Leben des Salvador Dalí“ schreibt er, dass er mit sechs Jahren Köchin, mit sieben Jahren Napoleon werden wollte. Mit Anfang zwanzig war er so sehr von seinem Genie überzeugt, dass er es ablehnte an den Abschlussprüfungen der Kunstakademie teilzunehmen, da er die Lehrer für unfähig hielt, seine Werke zu beurteilen. Es mag nicht überraschen, dass er daraufhin der Akademie verwiesen wurde.
Was Dalí mindestens ebenso wie die Kunst selbst liebte, waren extravagante Auftritte. In seinen Studienjahren war er oft in weite schwarze Roben gekleidet, seine Haare trug er lang mit Koteletten, auf dem Kopf hatte er einen großen schwarzen Filzhut. Als Accessoires dienten eine Pfeife und ein Stock mit vergoldetem Knauf. Auch in späteren Jahren war Dalí stets für eine Überraschung gut. Man konnte ihn gelegentlich sehen, wie er in einem Rolls Royce herumfuhr, dessen Rückbank mit Kohlköpfen beladen war. Einmal versuchte er in der Pariser Sorbonne einen Vortrag im Taucheranzug zu halten, doch musste er vorzeitig abbrechen, weil er beinahe erstickt wäre. In den 60er Jahren hielt er sich ein zahmes Ozelot.
So exzentrisch und genial die Werke und Auftritte des Katalanen anmuten, so schwer fielen ihm allerdings die kleinen Dinge des Alltags. So soll Luis Buñuel ihm in Paris einmal einen Geldschein gegeben haben, mit dem Dalí Theaterkarten kaufen sollte. Wenig später kam er verärgert mit leeren Händen wieder und erklärte, er habe diese ganze Geschichte mit dem Wechselgeld überhaupt nicht verstanden. Mit 84 Jahren starb Dalí an Herzversagen, doch blieb er über den Tod seinem Exzentrikerdasein treu: Um sicherzustellen, dass seine sterblichen Überreste für mindestens 300 Jahre weiterbestehen, wurde sein Leichnam einbalsamiert, mit der Krone eines Marquès geschmückt und in eine Tunika gehüllt. Beigesetzt wurde er in der Krypta unter der Glaskuppel seines eigenen Museums in Figueres.
William Randolph Hearst (1863 - 1951)
Der letzte exzentrische Gentleman aus unserer Reihe ist niemand geringerer als William Randolph Hearst, Millionär, Publizist und Politiker. Liebhabern des klassischen Kinos wird Citizen Kane ein Begriff sein, ein Film, der mit einigen künstlerischen Freiheiten das Leben des Großunternehmers nacherzählt. Hearst war schon von Hause aus wohlhabend. Als junger Mann konnte er bereits die Leitung des San Francisco Examiner übernehmen und war so erfolgreich, dass er über die Jahrzehnte ein regelrechtes Presseimperium aufbaute. In den 20er Jahren besaß Hearst 22 Tageszeitungen, 15 Sonntagsblätter, 7 Zeitschriften und etliche Radiosender. Das Geheimnis seines Erfolges war reißerischer Sensationsjournalismus, dabei war es vollkommen unwichtig, ob ein Artikel den Tatsachen entsprach oder nicht. Seine Mitarbeiter bekamen das Doppelte an Gehalt als bei der Konkurrenz, dafür verlangte er absoluten Gehorsam und die Bereitschaft, so etwas wie Berufsethos links liegen zu lassen, um möglichst hohe Verkaufszahlen zu erzielen. Dies ging so weit, dass er während des spanisch-amerikanischen Krieges einen Journalisten nach Kuba schickte, um weiteren Stoff für Anti-Spanische Propaganda zu liefern. Als der Journalist dort allerdings keine Kämpfe oder Aufstände feststellen konnte, schrieb Hearst ihm: „Bitte bleiben. Liefern Sie die Bilder. Ich liefere den Krieg.“
Hearsts Charakter war von Widersprüchen geprägt. Schüchternheit und Großzügigkeit wechselten sich mit totalem Größenwahn ab. Anfang 1900 versuchte er Bürgermeister von New York, Gouverneur und sogar Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Er vertiefte sich dafür in die Biographien von Cäsar und Napoleon, seine Versuche blieben jedoch erfolglos. Bezeichnend für Hearst war seine extreme Kaufsucht, die aufgrund seiner finanziellen Mittel zeitweise absurde Formen annahm. Jährlich gab er circa 1 Millionen Dollar für Antiquitäten, Schmuck, Möbel und Gemälde aus. Wenn er etwas haben wollte, gab es nichts, was ihn davon abhalten konnte. Einmal kaufte er sogar einen kompletten spanischen Kreuzgang aus dem 10. Jahrhundert und ließ ihn Stein für Stein abbauen. Für den Transport kaufte er eine ganze Eisenbahnlinie und ein Sägewerk, das die notwendigen Kisten für die 36.000 Steine herstellen sollte. In San Simeon in Kalifornien ließ sich der Magnat ein Anwesen erbauen, das über vier Paläste, zwei Schwimmbäder und einen Zoo verfügte.
In den 30er Jahren kam schließlich der finanzielle Untergang. Hearst hatte durch den Börsencrash 1929 bereits massive Einbußen gehabt, Probleme mit Gewerkschaften, die wachsende Konkurrenz an neuen Zeitungen und seine Kaufsucht besiegelten schließlich sein Schicksal. Seine Besitztümer waren so reichlich, dass es ein Jahr lang dauerte bis alles aus seinen Sammlungen versteigert war.
Meine Damen und Herren,
ich hoffe, der kleine Ausflug in die Welt der Exzentriker hat Ihnen gefallen! Und wenn Sie das nächste Mal nicht wissen, wo Ihnen der Kopf steht, wissen Sie nun: Sie sind in bester Gesellschaft!
Ihre Marleen Tigersee
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