„Frauen ziehen sich überall auf der Welt gleich an: um andere Frauen zu ärgern.“
(Elsa Schiaparelli)
An einem Novemberabend 1927 betrat eine elegante Dame mit kurzen, rabenschwarzen Haaren, die glänzten wie flüssiger Teer, den Speisesaal eines mondänen Pariser Restaurants, in dem sie schon von einer kleinen Gesellschaft erwartet wurde. Die Dame war Elsa Schiaparelli und es war der Vorabend der Präsentation ihrer zweiten Kollektion. Als sie an den Tisch ihrer Gesellschaft kam, darunter Main Bocher, Chefredakteur der französischen Vogue, Modezeichner Douglas Pollard und die damals wichtigsten Meinungsmacherinnen der Szene, staunten die anwesenden Damen über Elsas außergewöhnlichen Pullover: Dieser war schwarz mit weißen Ärmelaufschlägen, Kragen und Schleife in der Mitte. Doch handelte es sich bei diesen Zierelemente nur um eine optische Täuschung, um einen Trompe l'Oeil-Effekt. Kragen, Schleife und Ärmelaufschläge waren nicht aufgenäht worden, sondern waren Teil des Strickmusters. Auch war die Struktur des Pullovers anders als bei den meisten, maschinengefertigten Modellen, gröber und fester. Das weiße Garn schien durch das schwarze hindurch, was eine körnige, zweidimensionale Wirkung hatte, ähnlich der Frottage-Technik aus der bildenden Kunst. Elsas Pullover war also ein absolutes modisches Novum und es versteht sich von selbst, dass alle Damen am Tisch sofort auch so einen haben wollten. Der Auftritt war geglückt.
Douglas Pollard fertigte eine Zeichnung des Pullovers an, die in der Dezember-Ausgabe der französischen, englischen und amerikanischen Vogue erschien. Zu sehen ist eine aparte Dame mit Bubikopf, die den Pullover samt passendem schwarzen Rock trägt, dazu feiner Perlenschmuck für Hals und Hände. Der Hintergrund: Grafisch-geometrische Elemente à la Art Déco. Die Bildunterschrift lautete: „Triumph der Farbmischung... ein künstlerisches Meisterwerk“.
Nur wenig später konnte sich Elsa Schiaparelli vor Aufträgen aus prominenten Reihen kaum retten. Peggy Guggenheim bestellte gleich vierzig Stück auf einmal, die in Akkord-Arbeit von armenischen Näherinnen hergestellt wurden, von denen die einzigartige Stricktechnik des doppelschichtigen Stichs stammte. Anita Loos (Verfasserin des Drehbuchs Blondinen bevorzugt) und Nancy Cunard (Erbin des berühmten Dampfschiffimperiums Cunard-Line) waren ebenfalls bald stolze Besitzerinnen eines Schiaparelli-Pullovers und so auch viele weitere Damen der gehobenen Gesellschaft. Viele andere Modeschöpfer versuchten den Pullover im Zuge dessen zu kopieren, doch konnte man diese Kopien leicht von den Originalen unterscheiden, da die besondere Technik der armenischen Näherinnen nicht zu imitieren war. Somit blieb Schiaparellis Pullover ein Unikum und wahrer Meilenstein in der Modegeschichte der 1920er Jahre, der so viel vom damaligen Zeitgeist in sich trägt: Den Trompe l'Oeil-Effekt aus der Kunst der Surrealisten (Schiaparelli arbeitete später häufig mit Salvador Dalí zusammen), die grafisch-geometrischen Muster anderer Pullover-Modelle, die an den Kubismus und den Stil des Bauhauses erinnern und der schon erwähnte Frottage-Effekt (der von Künstlern wie Max Ernst angewendet wurde). Schiaparelli war auch eine der ersten, die Sportkleidung salonfähig machte. Der neu entstandene Bedarf an Kleidung, die Bewegungsfreiheit und Bequemlichkeit bot, aber trotzdem elegant war, deckte die Designerin mit ihrer Boutique in der Rue de la Paix, die sie schlicht „Schiaparelli – Pour le sport“ nannte. Eine Marke war geboren.
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