Es gibt Geister... Überall sind sie um uns her...
Schaurig klingen die ersten Worte auf den Zwischentiteln in Robert Wienes Horrorklassiker Das Cabinet des Dr. Caligari von 1920. Zwei Männer sitzen auf einer Bank in einem verwunschenen Garten. Das Licht ist schummerig, die Musik im Hintergrund düster, mysteriös. Als eine schöne, langhaarige Frau an den beiden vorbeigeht, ganz in ihrer eigenen Welt versunken, beginnt der jüngere von den beiden dem älteren seine Geschichte zu erzählen.
In der kleinen norddeutschen Stadt Holstenwall findet ein Jahrmarkt statt, auf dem sich zwei Freunde, Franzis (der Erzähler der Geschichte) und Alan amüsieren wollen. Sie kommen am Zelt eines zwielichtigen Schaustellers, Dr. Caligari vorbei. Dieser präsentiert gerade einer Menschenmenge seine Attraktion: Den somnambulen Cesare, ein junger Mann, der seit 23 Jahren in einem schlafähnlichen Zustand lebt und der nur von ihm, Dr. Caligari, geweckt werden kann. Vor aller Augen erweckt der Schausteller den Somnambulen, der mit dunkel umrandeten Augen und wächsernem Gesicht grauslich anzuschauen ist. Das Publikum soll ihm, der angeblich in die Zukunft sehen kann, Fragen stellen. Als Alan fragt, wie lange er leben wird, sagt Cesare ihm seinen baldigen Tod voraus. Geschockt verlassen die Freunde den Jahrmarkt. Am nächsten Tag wird Alan tot aufgefunden.
Weitere Todesfälle suchen das Städtchen heim, die Behörden beginnen Verdacht gegenüber Dr. Caligari und Cesare zu schöpfen, können ihm aber zunächst nichts nachweisen. Franzis lässt der Mord an seinem Freund jedoch keine Ruhe. Er stellt Nachforschungen zu dem geheimnisvollen Doktor an und stößt dabei auf Dinge, die ihn letztendlich selbst in den Wahnsinn treiben – oder war die ganze Geschichte am Ende nur ein einziger Fiebertraum?
Robert Wienes Stummfilm ist ein echtes avantgardistisches Meisterwerk des frühen Kinos. Auch nach über 100 Jahren schafft es Das Cabinet des Dr. Caligari den Zuschauer zu fesseln und ihn in alptraumhafte Tiefen zu reißen. Das Szenenbild erinnert an expressionistische Gemälde, verzerrte Perspektiven, Formen und Dimensionen wirken bedrohlich und unheilverkündend. Die Zwischentitel scheinen wie von einer ungelenken, geisterhaften Hand geschrieben.
Die Ankunft von Dr. Caligari und Cesare senkt sich wie ein unsichtbarer Alpdruck auf die Kleinstadt, dem keiner entgehen kann. Doch nicht nur unheimliche Gestalten und abgründige Kulissen verwirren den Geist. Meint man, das Rätsel um Dr. Caligari endlich gelöst zu haben, fällt die Realität der Handlung plötzlich wie ein Kartenhaus in sich zusammen, Glaubwürdigkeit von Charakteren werden infrage gestellt und am Ende ist nichts mehr so wie man anfangs angenommen hat. Das Gefühl der Verwirrtheit schafft ein weiteres Element der Angst und Ohnmacht, das den Zuschauer mit Ratslosigkeit und Unbehagen zurücklässt.
Meine liebe Leserschaft, wenn Sie den zeitlosen Klassiker des deutschen Stummfilmkinos noch nicht kennen, ändern Sie dies schleunigst! Gerade zur dunklen Jahreszeit ein echtes Highlight!
Herzlichst Ihre
Marleen Tigersee
So ein wundervoller Film, inspirierend und so kreativ. Er hat auch so viele moderne Filmemacher inspiriert.